Neun Beiträge vom 8. Internationalen Studentischen Symposium des DVSM e.V. Köln 1993

Herausgegeben von Markus Heuger und Matthias Prell
Regensburg (ConBrio) 1995 (= Forum Musikwissenschaft Bd. 1)
160 S., 3 Abb., 3 Notenbeisp.,
Paperback/Pappband. – 24 x 17 cm
ISBN 3-930079-73-9

Inhalt

Michael Karbaum (München)
Wirtschaftsfaktor Musik – Der Komponist an der Schnittstelle von Kunst und Kommerz

Peter Wicke (Berlin)
Popmusik – Konsumfetischismus oder kulturelles Widerstandspotential? Gesellschaftliche Dimensionen eines Mythos

Philip Tagg (Liverpool)
Beitrag zu einer Typologie des musikalischen Zeichens

Bernd Enders (Osnabrück)
Der Einfluß moderner Musiktechnologien auf die Produktion von Popularmusik

Helmut Rösing (Hamburg)
Aspekte der Rezeption von populärer Musik

Veit Erlmann (Berlin)
Zur Ästhetik der Differenz – Ethno-Pop, New Age und World Music

Ansgar Jerrentrup (Wuppertal)
Techno-Musik und ihr eigenwilliges Szenario Anmerkungen zu einer musikalischen Un-Art

Ute Bechdolf (Tübingen)
Musikvideos im Alltag: Geschlechtspezifische Rezeptionsweisen

Ralf Hinz (Bochum)
Formen der Geschichtsschreibung über Popmusik

Vorwort der Herausgeber

Der Regisseur Peter Bogdanovich stellte sich 1972 in seiner Komödie „What’s Up, Doc“ musikwissenschaftliche Kongresse als ermüdende Veranstaltungen mit langwierigen Debatten vor: Da wird über Jodler-Analogien in den Skalenmodellen schweizer Komponisten des 17. Jahrhunderts oder diatonisch angeordnetete Gesteinsfunde aus dem Pliozän gestritten und im Hintergrund um Forschungsstipendien gebuhlt. Bis heute weist der akademische Alltag hierzulande mitunter erstaunliche Parallelen zu diesem Hollywood-Szenario auf.

Daß es auch anders geht, beweisen allerdings seit nunmehr einem Jahrzehnt die internationalen studentischen Symposien für Musikwissenschaft. Die Studierendensymposien, die jährlich an einer anderen Universität im deutschsprachigen Raum stattfinden, verstehen sich als diskussionsfreudiges Forum für Methodenkritik und die Auseinandersetzung mit Aspekten des gegenwärtigen Musiklebens, die in der universitären Ausbildung vernachlässigt werden.

Nachdem bereits auf den vorangegangenen Symposien das weit verbreitete, kultivierte Desinteresse der Musikwissenschaft an Rock, Pop, Jazz und Schlager als ein Kardinalproblem des Faches zutage getreten war, lag es für die Kölner Sektion des DVSM (Dachverband der Studierenden der Musikwissenschaft e.V.) nahe, ihr Symposium 1993 ausschließlich der populären Musik zu widmen.

Bei der Gestaltung des Programms waren wir bemüht, einen Eindruck von der Themenvielfalt zu vermittteln und gleichzeitig die Palette unterschiedlicher, teilweise konkurrierender Forschungsstrategien bei diesem nur interdisziplinär zu erschließenden Gegenstand vorzustellen. Einen ausschließlichen Vertretungsanspruch für Popularmusikforschung sahen wir weder bei der sogenannten musikimmanenten Analyse mit dem Hang zum verdinglichten Musikverständnis noch vertrauten wir uneingeschränkt auf Heilsversprechungen der ‚Cultural Studies‘-Enthusiasten.

Entsprechend heterogen ist auch dieses Buch geraten, das Grundsatzreferate und Spezialuntersuchungen vereint. Es handelt sich nicht um den überambitionierten Versuch, das ‚Phänomen Popmusik‘ auf 150 Seiten zu erklären. Gleichwohl meinen wir, daß sich die Auswahl der hier abgedruckten Beiträge durchaus zur Orientierung über den derzeitigen Forschungsstand in Sachen populärer Musik eignet. Gleich zu Anfang steht die problematische Unterscheidung von „E“- und „U“-Musik in unserer Musikkultur zur Diskussion. Michael Karbaum informiert über die historische Bedingtheit dieser Kategorien und erläutert ihre Handhabung in den Urheberrechtsorganisationen. Peter Wickes Beitrag beschäftigt sich mit den gesellschaftlichen Dimensionen des Mythos Popmusik und ihren Implikationen für den wissenschaftlichen Umgang mit Musik. Semiotische Grundlagen der Analyse populärer Musik schafft Philip Tagg in seiner Typologie des musikalischen Zeichens. Bernd Enders widmet sich den technischen Voraussetzungen der Produktion von populärer Musik, während Helmut Rösing das Verhältnis ihrer Rezeption zur individuellen Sozialisation untersucht. Der Paradigmenwechsel zur globalen Ästhetik der Differenz, wie er in den Konzepten von Ethno-Pop, New Age und World Music begegnet, ist das Thema von Veit Erlmann. Detaillierte Analysen von Techno-Titeln bringt Ansgar Jerrentrup in seinen „Anmerkungen zu einer musikalischen Un-Art“. Ute Bechdolf geht aus kulturwissenschaftlicher Perspektive der Frage nach, ob weibliche und männliche Jugendliche Videoclips auf unterschiedliche Weise wahrnehmen. Abschließend setzt sich der Germanist Ralf Hinz kritisch mit den Formen der Geschichtsschreibung über Popmusik auseinander.

Mit diesem Band wird erstmalig ein DVSM-Symposiumsbericht einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Glücklicherweise zeigte sich der ConBrio-Verlag aufgeschlossen für unser Vorhaben. Die Bände „Diskurse zu gegenwärtigen Musikkultur“ mit den Beiträgen des Symposiums in Gießen 1994 und „Medien-Musik-Mensch“ vom diesjährigen Symposium in Hamburg werden die Reihe fortsetzen. Wir bedanken uns bei Felix M. Roehl und Theo Geißler für die unkomplizierte Zusammenarbeit.

Weiterhin sind wir dem Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft, der Fritz-Thyssen-Stiftung und der Sony Music Germany für die Unterstützung unseres Projekts zu Dank verpflichtet.

Die Welt schaut in diesen Tagen auf Biene Flender, Christoph Reuter, Olaf Wegener und latsnotleeds Stefan Weihrauch, die in ihrem schier unermüdlichen Einsatz für den Siegeszug der Aufklärung wertvolle Spätsommertage geopfert haben, um die Drucklegung dieses Buches voranzutreiben.

Markus Heuger, Matthias Prell

Köln, im September 1995